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Die Wanderung

Wandertagebuch

Wir wollen von unserer Wanderung berichten und freuen uns über Kommentare von euch

ES IST VOLLBRACHT

2019 von Hamburg nach Konstanz Posted on 14.09.2019 20:40
Heidelberg -> Konstanz
Gesamtstrecke

Ein ganz, ganz großes Dankeschön für das rege Interesse an unserer Wanderung. Wir haben uns außerordentlich über unterstützende, fragende und ergänzende Kommentare zu den insgesamt 37 Blogeinträgen gefreut und diese immer wieder sehr gerne gelesen. Das gleiche gilt für den Zuspruch und den Austausch via E-Mail, SMS und WhatsApp. DANKE, DANKE, DANKE

Und hier ein schnell skizzierter Überblick zu unserer Wanderung:

  • Drei Monate Wanderschaft von Hamburg nach Konstanz Ca. 1.500 km gesamt (davon ca. 80 mit Bus, Bahn oder Fähre)
  • Auf der gesamten Wanderstrecke je rund 36.000 m Aufstieg und Abstieg bewältigt (!)
  • Je ein 1 Paar Absätze abgelaufen
  • 75 Tagesetappen zwischen 15 und 32 km
  • 92 Nächte in 75 verschiedenen Betten
  • 17 Tage Pause zum relaxen erkunden und genießen
  • Tagestemperaturen zwischen 11 und 38 Grad
  • Erstaunlich viele Wandernde und Wanderinteressierte (besonders im Schwarzwald) und reges Interesse gewürzt mit aufmunterndem zuweilen auch bewunderndem Zuspruch für unsere Deutschland Durchquerung
  • Unglaublich viele freundliche und zuvorkommende Wirtsleute angetroffen vor allem in den Landgasthöfen
  • Wunderbare und wunderliche regionale Gerichte kennengelernt, probiert und genossen. Z. B.: Schnucken-Grützwurst und Buchweizentorte (Nordheide); Potthucke und Pillekuchen (Sauerland); Handkäs mit Musik, Grüne Soße und Äbbelwoi (Südhessen); Kässpätzle, Maultaschen und Schwarzwälder Kirschtorte (Scwarzwald); Suser (Bodensee). Und immer wieder Schnitzel – in allen Varianten.
  • Zahlreiche schwarze und rote Eichörnchen kreuzten unseren Weg, außerdem viele Rehe, noch mehr Greifvögel, ein Fuchs, ein Adler, sieben Feuersalamander, kein Wildschwein (aber dafür unzählige Spuren)
  • Die Kastanienmoniermotte treibt ihr Unwesen in ganz Deutschland, nur auf dem Deister, in Bad Berleburg, und in wenigen Ecken des Schwarzwaldes gesunde Kastanien angetroffen
  • Als wir am 16. Juni gestartet sind, hatte die Kirschernte gerade begonnen. Das Getreide stand noch grün auf dem Halm
  • Jetzt sind die Pflaumen reif. Das Getreide ist abgeerntet, die Wintergerste bereits ausgesät und die Kartoffelernte beginnt
  • Eifrige Diskussionen in allen Parteien über den Klimaschutz – unter dem Eindruck von Trockenheit, Borkenkäfer, Brand des Amazonas Regenwaldes, Fridays for future, … – Ein schlüssiges Klimaschutzkonzept steht aus
  • Italien hat eine neue Regierung, Groß Britannien einen neuen Regierungschef, die EU eine neue Kommissions-Präsidentin, die SPD sucht noch eine neue Parteiführung

In den drei Monaten waren wir Tag und Nacht zusammen, ein gutes Team! Entgegen kam uns neben der Aufgabenteilung und dem Bemühen um Achtsamkeit die Naturverbundenheit. Georg ist im Rheinland aufgewachsen und hat bei den Landwirten im Dorf gejobbt. Pashya/Gerti ist ein echtes Landei, sie kommt von einem kleinen Bauernhof in Hessen. Trotzdem freuen wir uns beide, in Hamburg auch wieder getrennten Interessen nachzugehen. Gleich am Montag geht’s los. Georg wendet sich der Chorprobe zu und Pashya/Gerti der Yoga-matte.

Ob es im nächsten Jahr weiter Richtung Süden geht? Das wissen wir jetzt noch nicht. Wir werden sehen.



12. – 15.09.

2019 von Hamburg nach Konstanz Posted on 14.09.2019 18:02

Für unser TSCHAKKA – ES IST VOLLBRACHT – Foto wählen wir das Wahrzeichen von Konstanz, die Statue der Imperia im Hafen. Die Verkörperung der Kurtisane Imperia erinnert satirisch an das Konzil von Konstanz zu Beginn des 15.Jahrhunderts.
Auf ihren erhobenen Händen trägt sie zwei zwergenhafte nackte Männlein. Der Mann in ihrer rechten Hand trägt auf seinem Haupt die Krone eines Königs und hält einen Reichsapfel in der Hand;

Für unser TSCHAKKA – ES IST VOLLBRACHT – Foto wählen wir das Wahrzeichen von Konstanz, die Statue der Imperia im Hafen. Die Verkörperung der Kurtisane Imperia erinnert satirisch an das Konzil von Konstanz zu Beginn des 15.Jahrhunderts.
Auf ihren erhobenen Händen trägt sie zwei zwergenhafte nackte Männlein. Der Mann in ihrer rechten Hand trägt auf seinem Haupt die Krone eines Königs und hält einen Reichsapfel in der Hand;

die Figur in ihrer Linken trägt eine päpstlich Tiara und sitzt mit übereinander geschlagenen Beinen. Es ist nicht eindeutig, ob die Figuren Porträts von den Machthabern zur Zeit des Konstanzer Konzils, Kaiser Sigismund und Papst Martin V darstellen, oder ob sie allgemein als Personifikation die weltliche und die geistliche Macht darstellen. Der Künstler Peter Lenk sieht nackte Gaukler, die sich die Insignien der Macht widerrechtlich aufgesetzt haben. Die Aufstellung der Skulptur (1993) stieß bei konservativen Ratsmitgliedern und der katholischen Kirche auf Widerstand, letztendlich setzte sich die Macht des Faktischen durch.

Das Konzil fand in dem bis heute erhaltenen, größten mittelalterlichen Profanbau Süddeutschlands statt.

Ziel des Konzils von 1414 – 1418 war es, die christliche Kirche wieder zu vereinigen, nachdem sich neben dem römisch katholischen Papst in Rom ein Gegenpapst in Avignon etabliert hatte. Für die Zusammenführung war die Abdankung beider Päpste erforderlich, was nach vielem Hin und Her gelang. Mit Martin V wurde ein Kompromiss-Pabst gewählt.

Während des vier Jahre währenden Konzils lebten neben den ca. 7.000 Konstanzer Bürgerinnen und Bürgern ungefähr 30.000 Kleriker und Adelige samt Hofstaat in der Stadt. Dazu sollen auch rund 700 Kurtisanen gehört haben, einige davon mit großem Einfluss auf kirchliche wie weltliche Entscheidungsträger. Welche Ironie des Schicksals: Das ehemals stark katholisch geprägte Konstanz verfügt mit der acht Meter hohen Imperia heute wahrscheinlich über das weltweit größte Denkmal einer Prostituierten.

‚Tag eins‘ ist bei freundlichen 23 Grad einem Spaziergang (ohne Gepäck)
nach Konstanz gewidmet. Endlich nehmen wir Tuchfühlung mit dem Bodensee
auf. Freuen uns an der Weitsicht, dem Treiben im Jachthafen, den
gepflegten Grünanlagen und der lebendigen Stadt.

‚Tag zwei‘ steht ganz im Zeichen von Hermann Hesse. Er lebte zwischen
1902 und 1912 in Gaienhofen am Bodensee. Unsere Anreise mit dem Schiff ist phantastisch: Klare, spiegelglatte Wasseroberfläche,
Wasservogelschutzgebiete im Wechsel mit neuen Wohnquartieren, alten Herrenhäusern, gepflegten schweizerischen Dörfern und fruchtbaren Obst- und Weinanbaugebieten.

Als erstes lenken wir unsere Schritte zum ‚Mia und Herrmann Hesse Haus und Garten‘, in dem die Familie mit den drei Söhnen von 1907 – 1912 lebte. Heute ist das Areal in Privatbesitz, eigentlich ist geschlossen. Wir haben Glück, der freundliche Eigentümer öffnet uns seine Pforte, so dass wir in dem von Hermann Hesse angelegten, zwischenzeitlich überformten und liebevoll unter wissenschaftlicher Begleitung rekonstruierten Garten lustwandeln und picknicken können.

Danach besuchen wir das Hermann Hesse Museum.
Es ist in jenem Bauernhaus untergebracht, in dem Hesse mit Frau und erstem Sohn bis zur Fertigstellung des o.g. eigenen Hauses zwischen 1902 und 1907 zur Miete wohnte. Pashya/Gerti, in ihrer Jugend ‚glühende‘ Hesse Verehrerin, lernt viele neue Facetten des unsteten, egozentrischen (Macho) Menschen Hesse kennen, die nur schwerlich mit dem schöngeistigen Sinnsucher in Einklang zu bringen sind.

‚Tag drei‘ hat den Bodensee Klassiker, die Insel Mainau als Ausflugsziel. Gleich vorweg, wir waren auf der Blumeninsel nicht allein, haben aber möglicherweise den Altersdurchschnitt nach unten gesenkt. Die zahlreichen Souvenier Shops und Cafés lassen an Bundesgartenschauen denken. Jedes Jahr 365 Tage lang. Damit sich die Unternehmung trägt, müssen jährlich mindestens 1,2 – 1,4 Mio Touristen die Insel besuchen. Besucherrückgänge der letzten Jahre sollen mit Tagungen und Banketten kompensiert werden.

Wir schlendern durch das Areal, halten inne am Schloss sowie der Barock Kirche und werfen einen Blick ins Palmenhaus, das inzwischen zum Event Ort umfunktioniert worden ist. Rhododendren, Rosen sind um diese Jahreszeit bereits verblüht. Dafür entfalten 250 verschiedene Dahliensorten einen Farbenrausch. Das Aboretum überrascht mit alten exotischen Gehölzen darunter mehrere über 100-jährige Mammutbäume.

Die wechselvolle Geschichte des Eilandes mit dem mediterranen Klima aufzufächern würde zu weit gehen. Über Schenkungen, Verkäufe und insbesondere Heiraten zwischen verschiedenen österreichischen, ungarischen und schwedischen Königs- sowie diversen herzoglichen Häusern befindet sich die Insel seit 1974 im Besitz der von Graf Lennart Bernadotte gegründeten gemeinnützigen „Lennart-Bernadotte-Stiftung“.

Zum Abschluss des Tages und zugleich zum Abschluss unserer dreimonatigen Wanderung gibt’s nochmals Schwarzwälder Kirschtorte, aber nicht in einem der acht Restaurationsbetriebe der Mainau sondern in einer kleinen Konditorei am Ort.

Morgen, am Sonntag den 15. September steigen wir in den Zug und fahren zurück nach Hause.

Es kann gut sein, dass wir in den nächsten Tagen noch einige Nachbetrachtungen, Ergänzungen und Erkenntnisse einstellen.



10. – 11.09.

2019 von Hamburg nach Konstanz Posted on 14.09.2019 16:41

Am Gasthof zum Adler in Liggeringen irritierte die (sichtbar ältere) Wandmalerei ‚Fremdenzimmer‘. Im Netz haben wir ein ‚Gästezimmer‘ gebucht. An diese Stelle passt unsere Beobachtung, dass sich der Sprachgebrauch verändert hat. In unserer Kindheit und Jugend hatten Gasthöfe sowohl im Rheinland als auch in Hessen Fremdenzimmer. Bis 2019 hat sich ein wohltuender Wertewandel vollzogen. Auf der gesamten Wanderung kamen wir nur in einem Gasthof im ‚Fremdenzimmer‘ unter, auch die Übernachtung auf dem Bauernhof war im Gästezimmer. Und da fühlt man auf dem

Bauernhof war im Gästezimmer. Und da fühlt man sich doch gleich viel willkommener als im ‚Fremdenzimmer‘. Unabhängig von dem Wandbild war es im Adler prima, bodenständige Küche und ebensolche Wirtsleute.

Unser letzter Wandertag traf so unerwartet ein wie sonst nur Weihnachten. Und er war mindestens genauso schön. Der Himmel blieb klar und blau (!), der Weg hielt nur wenige Auf- und Abstiege bereit und die waren phantastisch. Zwar war die Marienschlucht wegen Erdrutsch gesperrt, aber die kleinere Nachbarschlucht überraschte mit ungezügelter Wildheit. Der krasse Gegensatz schlägt uns im Restaurant des nahegelegenen Golfclubs in Form eines blasierten Kellners entgegen, der es ganz offensichtlich unter seiner Würde fand, Wanderern Kaffee zu servieren.

Erstaunt registrieren wir Felder mit Sojabohnen. Wie gut, dass diese nicht nur in Brasilien sondern auch im milden Klima der Bodenseeregion gedeihen.

Über weite Strecken verläuft der Weg entlang der Hangkante zum Bodensee, zu sehen ist dieser leider nur selten, selbst die Sicht von der Ruhebank reicht nur bis ins Gebüsch. Darum adressieren wir virtuell eine Empfehlung oder besser gesagt, Bitte an den Schwarzwaldverein bzw. den Bodensee Tourismusverband, doch die ein oder andere Blickachse (bei aller Liebe für Bäume und Sträucher) frei zu schneiden.

Am Nachmittag erreichen wir die Jugendherberge in Allmannsdorf, einem Vorort von Konstanz, die sich in einem ehemaligen Wasserturm befindet. Von außen wirkt sie sehr stylisch, in Bezug auf Ausstattung und Service bleibt sie allerdings hinter anderen Häusern des Deutschen Jugendherbergswerks zurück. Vor uns liegen drei wunderbare Ausklingtage.



09.10.

2019 von Hamburg nach Konstanz Posted on 10.09.2019 18:15

In Achdorf verlässt der E1 die Wutachschlucht. Während die Wutach weiter nach Süden und bei Schaffhausen in den Rhein fließt, schwenkt der E1 leicht nach Südosten und nimmt Kurs auf Konstanz und den Bodenssee, dem Ziel unserer Wanderung.

Am Ortsrand von Blumberg passieren wir ein Gewerbegebiet. Das größte Unternehmen ist als‚ Schwarzwaldhof‘ gelabelt. Hier werden Schwarzwälder Schinken und Wurstwaren geräuchert, zubereitet und konfektioniert. Wo die Schweine gemästet werden, lässt sich nicht herausfinden.

Nach einigen Kilometern Wegstrecke fängt es an zu schütten. Die Capes, die bereits säuberlich gefaltet tief unten in den Rucksäcken liegen müssen wieder ausgepackt werden. Nach einem km erreichen wir ein kleines Örtchen und finden Schutz im Bushäuschen. Dann kommt es zum Streik, Pashya/Gerti weigert sich im strömenden Regen weiter zu gehen. Nach einigem Getüftel ist eine Busverbindung ins knapp 10 km entfernte Engen gefunden. Mit einem riesigen Bogen und zweimal umsteigen sind wir dort. Es ist später Nachmittag und der Himmel ist klar und blau (siehe nebenstehende Schwarzwälder Bauernregel), aber in Engen gibt es keinerlei Übernachtungsmöglichkeit. Eine Passantin rät zum Hotel an der Autobahn Raststätte. Dazu können wir uns jedoch nicht durchringen und besteigen statt dessen die SBB Bahn nach Singen. Singen ist eine große Stadt, das erkennt man schon vom Bahnsteig aus, hier gibt’s noch Karstadt. Ihre Blüte verdankt die Stadt übrigens Maggi, das sich seit dem Ende des vorletzten Jahrhunderts hier niedergelassen hat.

Der Charakter der Landschaft hat sich verändert. Wälder nehmen ab und Grünland und Ackerbauflächen zu. Streuobstwiesen sind die Vorboten des Bodenseeobstes. Wir finden das klassische Schwarzwaldhaus mit der bergseitigen Scheunenzufahrt kaum noch vor, stattdessen wieder verstärkt Fachwerk. Und wir bewegen uns nicht mehr auf 900 bis 1.000 m Höhe sondern pendeln zwischen 400 und 500 m. Das Relief ist weniger bewegt, abgesehen von einigen kegelförmigen Erhöhungen, deren Gipfel Burgruinen tragen. Die Burg Homburg lassen wir uns nicht entgehen. Von der Ruine sind nur Reste erkennbar, aber der erstmalige Blick auf den Bodensee entschädigt für die Kraxelei. Leider haben wir keinen Piccolo dabei um auf das nahe Ziel anzustoßen.



05. – 08.09.

2019 von Hamburg nach Konstanz Posted on 09.09.2019 19:28

Der Feldberg markiert die Zäsur der Jahreszeiten: Am Mittwoch noch Top, am Freitag Fleece und am Sonntag Regencape.

Gleichzeitig ist der Feldberg die Stellschraube des E1. Bisher sind wir (mehr oder weniger geradlinig) nach Süden gegangen. Auf dem Feldberg wendet sich der E1 scharf nach Osten. Und dann geht’s erst einmal bequem bergab bis zum Schluchsee, welcher majestätisch zwischen den bewaldeten Höhen ruht.

Wir lernen, dass der Schluchsee über ein System von Kraftwerkskaskaden über 27 km Länge und 600 m Fallhöhe des Wassers mit dem Rhein verbunden ist, welches bereits seit 90 Jahren regenerativen Strom produziert: Insgesamt 120 Mio. KWh Strom pro Jahr, die den Bedarf von 70.000 Personen decken, allein aus Regen und Schmelzwasser.
Auch am Schluchsee ist Tourismus, der scheint sich aber mehr zu verlaufen, vielleicht liegt es auch an den frischen 17 Grad oder daran, dass der Ort sich schon im Nachsaisonmodus befindet.

Am 7. und 8. September gehen wir durch die Wutschschlucht. Es ist eine der spektakulärsten und grandiosesten Strecken überhaupt. Am Zugang verweist ein großes Schild darauf, dass der Weg gefährlich ist und Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erfordert.

Bei der Mündung der Haslach in die Gutach wird diese zur Wutach. Vom guten Bach zum wütenden Bach, der Name trifft die Naturgewalt ziemlich gut die uns, von Lenzkirch kommend, empfängt. Die Wutach hat in tausenden von Jahren eine tiefe Schlucht ins Keupergestein eingegraben,durch die sie als Wildbach über Felsen prescht, durch Engpässe wirbelt oder an breiteren Stellen bedächtig dahin fließt. An einer Stelle wird sie aufgestaut und ihre Power zur Energiegewinnung genutzt. Der erste Tag in der Schlucht ist sonnig warm. Immer wieder bleiben wir fasziniert bis ergriffen stehen und staunen über die Magie, die die Natur hier entfaltet.

Zur Übernachtung gibt’s nur die Schattenmühle. Beseelt kehren wir ein, erfreuen uns an Schwarzwälder Kirschtorte und Kaiserschmarrn. Am nächsten Tag regnet es, und um es gleich vorweg zu sagen, den ganzen Tag in Strömen. Die Schlucht wird immer überwältigender. Schmale, abenteuerliche Pfade, teils mit Drahtseilen gesichert oder als Stufen ins Gestein gehauen lassen uns schroffe Muschelkalkwände erklimmen, die sich mit lieblichen Aufweitungen, prasselnden Wasserfällen, dampfenden Urwäldern und malerischen Brücken abwechseln. Regelrecht ergriffen sind wir von den Feuersalamandern die unseren Weg kreuzen. Anders als andere Lurcharten zischen sie nicht davon sondern bewegen sich fast behäbig. Sie anzutreffen ist die positive Seite des Regens, denn die sonst nachtaktiven Tiere verlassen bei Regen ihre Versteckte auch am Tag. Welch‘ ein Glück. Beide haben wir noch nie einen Salamander in freier Wildbahn gesehen, erinnern uns aber voller Nostalgie und Empathie an ‚Lurchi und seine Freunde‘. Feuersalamander stehen auf der Roten Liste gefährdeter Tierarten. Die Schlucht ist überhaupt ein Eldorado für seltene Tier- und Pflanzenarten, wie z. B. die Wasseramsel.

Der Regen macht die Baumwurzeln glitschig und das bröckelige Kalkgestein extrem rutschig. Unsern Stöcken ist es zu verdanken, dass niemand ernsthaft ausrutscht. Der einzige Unfall ereignet sich Stunden später zwischen dem Bettpfosten und Georgs Zeh. Die Regencapes haben dicht gehalten, allein die Schuhe sind durchnässt. Wenige Tage zuvor hatten wir festgestellt, dass sie dringend Wachs benötigen. Im Gasthof Scheffellinde werden die Wanderstiefel mit Zeitungspapier ausgestopft und kommen in den Heizungskeller zum Trocknen. Die Restfeuchte bläst der Fön am nächsten Morgen weg.



03. – 04.09.

2019 von Hamburg nach Konstanz Posted on 05.09.2019 17:54

Chapeau, wir sind auf dem Gipfel des Feldbergs (1.493 m)!
Aber die Geschichte soll von Anfang an erzählt werden, denn eigentlich hatten wir vor, einen Tag in Titisee zu pausieren. Der See liegt wunderbar eingebettet in die umgebende Bergwelt. Der Ort gleicht einem Marktplatz für Schwarzwälder Schinken und Kuckucksuhren, bevölkert von überwiegend chinesischen Reisegruppen.
Da das Wetter von sonnig auf bewölkt bis regnerisch umschalten soll und unsere Pension zwar preisgünstig aber wenig anheimelnd ist, nehmen wir die Stornogebühr in Kauf und ziehen am 4. Sept. los.

Eine erste Besonderheit ist der Olympiastützpunkt Adlerschanze bei Hinterzarten.

Über weite Strecken geht unser Weg moderat aber stetig nach oben. Die schönen, um nicht zu sagen wild romantischen Abschnitte, zum Teil flankiert von munteren Bächen sind steil. Pashya/Gertis Lunge ringt sich jeden Atemzug ab, schafft es aber tapfer bis nach oben. Und da ist es dann erhebend, die Aussicht phantastisch: Ca. 120 km im Süden ist der Alpenkamm erkennbar, davor die Ehrfurcht einflößenden Berge des Südschwarzwaldes u.a. des Kaiserstuhls. Freiburg sehen wir nicht, ist aber nur rund 20 km entfernt, bis Basel sind es etwa 60 km (Luftlinie).

Nur wenige hundert Meter vom Feldberggipfel entfernt ragt der Seebuck in den Himmel. Ihn ziert das Bismarckdenkmal; 1895 errichtet von Verehrern des ‚eisernen Kanzlers‘, die zwischen 1890 und 1941 jährlich hier zusammen kamen. Danach bröckelte das Bauwerk und wäre sicher dem Verfall anheim gefallen, hätte es sich nicht zusammen mit dem Feldbergturm zum Wahrzeichen des Gipfels entwickelt. 1966 bewerkstelligte die Gemeinde Feldberg den Wiederaufbau.

Von dort oben steigen wir parallel zur Gondelbahn ab nach Feldberg-Ort, wo uns ein riesiger Hotelkomplex, die Fundorena (Indoorsporthalle) und
das gigantische Parkhaus fast erschlagen. Was für ein Glück, dass wir
unsere Unterkunft im Gasthof Waldvogel beziehen.
Der Wirt, ein ehemaliger Profi-Skispringer, Weltcup- und Olympiateilnehmer schildert den Ski-Zirkus auf dem Feldberg in schillernden Farben. Er berichtet auch davon, wie schwer es für Gastronomen ist, angesichts des Spagats zwischen Wetterabhängigkeit und Arbeitszeitregelungen, Personal zu bekommen.

Die Vorfreude auf ausgedehnte Tannenwälder wird enttäuscht, die Tanne kommt nur vereinzelt vor. Teilweise sehen wir gekennzeichnete Jungbäume und hoffen, dass sie unter Beobachtung stehen und gehegt werden. Leider sind Tannen die schadstoff-empfindlichste heimische Baumart und werden von einer Vielzahl von Schädlingen befallen. Tannen können 500 bis 600 Jahre alt und bis zu 50, in Einzelfällen 65 m hoch werden. Sie erreichen einen Brusthöhendurchmesser von bis zu 2 m, teilweise sogar bis 3,8 m. Sie sind so der mächtigste Baum unserer Breiten.



31.08. – 02.09.

2019 von Hamburg nach Konstanz Posted on 02.09.2019 17:03

Nach mehreren Tagen im Nordschwarzwald ändert sich die Landschaft ab dem Kinzigtal. Die Kinzig ist der einzige Fluss, der den Schwarzwald von Ost nach West durchschneidet. Wir müssen also von rund 900 m steil hinab auf ca. 250 m nach Hausach und am folgenden Tag wieder hinauf auf über 900 m.

Da bietet sich ein Abstecher nach Hornberg an, um der Redewendung ‚Das geht aus wie das Hornberger Schießen‘ auf den Grund zu gehen. Die Wendung wird gebraucht, wenn eine Angelegenheit mit großem Getöse angekündigt wird, aber dann nichts dabei herauskommt. Eine der zahlreichen Legenden wollen wir hier wieder geben.

☆ In Hornberg hatte sich anno 1564 der Herzog Christoph von Württemberg angesagt. Dieser sollte mit Salutschüssen empfangen werden. Als alles bereit war, näherte sich aus der Ferne eine große Staubwolke. Alle jubelten und die Kanonen donnerten, was das Zeug hielt. Doch die Staubwolke entpuppte sich nur als eine Postkutsche. Das gleiche wiederholte sich, als ein Krämerkarren und noch etwas später eine Rinderherde auf die Stadt zukam. Der Ausguck hatte jedes Mal falschen Alarm gegeben, und alles Pulver war verschossen, als der Herzog endlich eintraf.

Wir kommen an der Quelle der Breg vorbei. Dabei fällt uns der Sinnspruch ‚Brigach und Breg bringen die Donau zuweg‘ ein.

Weiter südlich, wir sind jetzt im Mittelschwarzwald, wird die Landschaft zum Postkarten -Schwarzwald: Offene, beweidete Hügellandschaften mit verstreut gelegenen Gehöften, viele noch in typischer Schwarzwaldbauweise im Wechsel mit bewaldeten Hängen und Kuppen.
Insgesamt ist es weniger steil, was die Muse zum gucken und hinterfragen weckt.

☆ Asche auf die Häupter. Unser lange zurückliegendes Uni-Halbwissen reicht nicht zur Unterscheidung von Fichten und Tannen, lässt sich aber gut mit Plantnet und Wikipedia auffrischen.

☆ Bei den Pilzen sind wir nicht so weit gegangen. Zum Verzehr ist keiner der fotografierten Exemplare geeignet. Ob bzw. welche anderen Zustände sie auslösen, wurde weder probiert noch ergründet.

Auch die Hotels pflegen den Postkarten-Schwarzwald.



Exkurs: Wandern, was ist das

2019 von Hamburg nach Konstanz Posted on 02.09.2019 15:16

EXKURS:

Wandern was ist das eigentlich?

Wir sind ziemlich blauäugig losgegangen. Kaethe, Künstlerin und bekennende Nicht-Wandersfrau, will über das Wandern schreiben und lässt uns von Zeit zu Zeit an ihren Recherchen teilhaben. Tausend Dank!

Im Folgenden skizzieren wir Definitionen und Sichtweisen zum Wandern, einige sind der Web-Site von ‚aufundab.eu‘ entnommen.

☆ Fangen wir mit dem Allgäuer Schriftsteller und Wandersmann Josef Hofmiller an:

  • Für ihn steht fest, ‚Wandern ist eine Tätigkeit der Beine – und ein Zustand der Seele‘.
  • An anderer Stelle sagt er ‚Im Wandern ist eine vornehme Zwecklosigkeit. Man darf nicht viel Gepäck mitschleppen, auch nicht im Geist. Am Ende wird es sogar gleichgültig, wo wir wandern. Gibt es eine reizlose Landschaft? Es gibt nur reizstumpfe Augen.‘
  • Nach Josef Hofmiller wird beim Wandern auf gesunde Weise die sportliche Leistungsfähigkeit der Beine beziehungsweise des ganzen Körpers trainiert, und gleichzeitig vermittelt das Unterwegssein und das Naturerleben ein einmaliges Gefühl von Entspannung und Erhabenheit.‘

☆ Doch wann stellt sich dieses Gefühl ein, denn, nicht jede Form der Fortbewegung zu Fuß ist auch gleich Wandern. ‚Wandern ist eine gehende Fortbewegung als Selbstzweck. Also Wandern um den Wanderns willen‘. Eine Ausnahme bildet die Walz der Zimmermannsgesellen, sie dient dem Zweck, Erfahrungen zu sammeln.

☆ Erfahrungen ganz anderer Art lassen sich auch bei Wanderungen mit
Eseln oder Lamas sammeln, die z.B. als Entschleunigungs-Programm der
ganz anderen Art incl. Natur-Pur beworben werden.

☆ Eine repräsentative Befragung durch den Deutschen Wanderverband, kommt zu folgender Definition: Wandern ist Gehen in der Landschaft. Es ist eine Freizeitaktivität mit unterschiedlich starker körperlicher Anforderung, die das mentale und physische Wohlbefinden fördert. Charakteristisch für eine Wanderung ist demnach auch: eine Dauer von mehr als einer Stunde. Dabei nutzt der Wanderer eine spezifische Infrastruktur und eine angepasste Ausrüstung.‘

☆ Die körperliche Herausforderung, der sich die Wandernden stellen, kann ganz erheblich sein! Mehrere Bücher haben in den USA einen besonderen Hype für das Fernwandern, das neumodisch als Thru-Hiking bezeichnet wird, ausgelöst. Man wandert oft über ein ganzes Jahr in Gruppen, aber doch jeder für sich mit ultraleichtem Gepäck auf vorgegebenen Trails. Wandern als kollektives Erleben für die Wandernden, aber auch für deren Fans.

☆ Und auch der Jakobsweg hat durch diverse Bücher einen riesigen
Zuwachs an Pilgern erlebt. ‚Pilgern ist überhaupt wohl die
ursprünglichste Form des Wanderns, die auch den Gedanken Josef
Hofmillers an die Seele in das Zentrum des Wandererlebnisses rückt.‘

☆ Aber auch für weniger religiös motivierte Menschen gibt es eine Erklärung, warum Wandern so unheimlich wohltuend wirkt: ‚Das Erleben des Flow, also eines absoluten Aufgehens in einer Tätigkeit, kann sich bei ausreichend langen Wanderungen einstellen. Psychologen, beschreiben Flow als Zustand eines beglückenden Tätigkeitsrausches bis hin zu ekstatischer Trance.‘

☆ ‚Wer geht, sieht mehr, lebt länger – und denkt besser. Einsichten, die schon antike Philosophen mit heutigen Hirnforschern teilen. Ob als Spaziergänger, Flaneure, Wanderer oder geistige Entdeckungsreisende viele große Dichter und Denker schätzen das tägliche Gehen in Wäldern oder Städten, um auf neue Gedanken zu kommen.‘ Die aktuelle Sondernummer des Philosophie Magazins setzt sich mit dem Wandern auseinander und begleitet Gedankenreisende.

Lässt man die zuvor skizzierten Aspekte Revue passieren so ergeben sich durchaus Schnittstellen zwischen dem Wohlbefinden die das Wandern auslöst mit denen, die dem Waldbaden zugeschrieben werden.

Und wie ist das bei uns? Vielleicht bringt es unser Austausch während der Verschnaufpausen bei den Aufstiegen auf den Punkt:

‚Guck mal da‘, ‚was war denn das‘

‚warum tun wir uns das nur an?‘,

‚es ist so anstrengend und soo schööön!’…



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