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Die Wanderung

Wandertagebuch

Wir wollen von unserer Wanderung berichten und freuen uns über Kommentare von euch

05.07. – 07.07.2022

2022 von Eisenach über Marburg nach Köln Posted on 07.07.2022 21:17

Von Irmgarteichen nach Krottorf

Die Temperaturen pendeln sich im niedrigen 20 Grad Bereich ein und zugleich schwinden die Blessuren an Knie und Füßen. Besser geht’s kaum. Der 5. Juli hat das Zeug zum Bilderbuch Wandertag: Wir laufen entlang von Waldrändern. Ganze Wälder sind auch hier dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen. Doch der Versuch in den vergangenen Jahrzehnten, die Monokultur der Fichtenforste durch Randbepflanzung mit Laubgehölzen zu kaschieren, vermittelt nun den Eindruck von Waldrand, der totes Gehölz umgrenzt.

Wegbegleitenden Schautafeln entnehmen wir, dass der Feldhase 2m weit springt. Der Weltrekord beim Menschen liegt derzeit bei 8,95m, wird aber noch deutlich vom Rothirsch überboten, der schafft 11m.

Bemerkenswert ist auch, dass das Rotwild die Farben Rot und Grün nicht unterscheiden kann (wie diese Rot-Grün-Blindheit wohl heraus gefunden wurde?).

Besonders ist die Begegnung mit einem Schäfer und seiner Merinoschafherde, incl. dreier Alpakas. Wir kommen ins Gespräch. Nein, sagt er, Wölfe gibt’s hier zum Glück nicht. Er könnte es auch nicht ertragen wenn er am Morgen zur Weide käme und ein oder mehrere Tiere verletzt oder gar gerissen und die übrige Herde verschreckt und für lange Zeit in Panik wäre. Dann würde er sofort aufhören.

In Siegen kreuzen wir unsere Wegstrecke von 2019. Damals pausierten wir, nahmen mit Andrea und Timo einen Imbiss ein und ließen die Wanderschuhe besohlen. Diesmal durchqueren wir die Stadt vom östlichen Rand des Talkessel bis zum westlichen per Bus und treffen am Stadtwald wieder auf den Elisabethpfad.
Wir drosseln unsere Tageskilometer auf ca. 15. Das ist nicht nur knie- und fußschonend, so erreichen wir unseren Zielort bereits nachmittags zur besten Kaffeezeit an und können gemütlich duschen, Wäsche waschen oder einfach relaxen, bevor das Abendessen ansteht.

Freudenberg bietet eine optische Überraschung. Der im 15. Jhd. gegründete historische Stadtkern wurde zweimal durch Brände zerstört und jedes Mal auf dem alten Grundriss als Fachwerk-Ensemble wieder aufgebaut. Noch heute trägt er den Namen „Alter Flecken“ und steht unter Denkmalschutz. Zu Recht.

Auf dem Bild links sieht man von oben auf den historischen Stadtkern. Wir hätten nach der Ankunft im Hotel nochmals auf einen Hügel steigen müssen, um diesen Blick zu haben. Das war nach einem anstrengenden Wandertag nicht mehr drin. Daher ausnahmsweise ein Foto aus dem Netz. Das Ensemble sieht zwar aus wie bei der Märklin Modell-Eisenbahn, ist aber echt.

Hier in Freudenberg lernen wir die Uerdinger Linie oder auch die ik-ich-Linie kennen. Sie stellt eine Übergangslinie zwischen den ik-Mundarten im niederdeutschen sowie niederfränkischen Sprachraum und den ich-Mundarten im hochdeutschen Sprachraum dar, wie sie heute noch in vielen Dialekten wiederzufinden ist. 

Bei Nieselregen steigen wir, von Freudenberg kommend durch einen jungen Buchenwald auf und stoßen vor Hohenhain auf das Bodendenkmal ‚Alte Schanze‘ – eine mächtige Schanzanlage, die noch größtenteils gut erhalten ist. Sie kontrollierte die bedeutende mittelalterliche Landstraße Siegen – Köln (Brüderstraße), die hier die Nassau-Siegener Landhecke durchquerte, und so den Zugang zum Siegerland absicherte.
Die 105 km lange Landhecke war ein gewachsener Schutzwall. Sie bestand aus dicht nebeneinander gepflanzten Hainbuchen, deren Zweige zum Neuaustrieb in den Boden gesteckt und in den Zwischenräumen mit undurchdringlichen Gehölzen, wie etwa der Brombeere ergänzt wurden. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts umschloss die Landhecke für rund 200 Jahre das Siegerland zum Schutz gegen feindliche Überfälle vollständig. So verteidigten die Siegerländer immer wieder ihre Freiheit gegen den Erzbischof von Köln und sein böhmisches Söldnerheer.
Auf die große Weltbühne schaffte es die Landwehr nach 1568, dem Beginn des niederländischen Befreiungskrieges. Der Landesherr Johann der Ältere, Graf von Nassau-Dillenburg, unterstützte seinen Bruder Wilhelm von Oranien im Kampf gegen die Spanier entscheidend. Damit wurde das Siegerland zum Feind der Weltmacht Spanien.
Der weitere Weg nach Krottorf führt zweimal an Hinweistafeln zur Hexenverfolgung vorbei, die im 16. und 17. Jahrhundert in dieser Region weit verbreitet war.



16.06. – 20.06.2022

2022 von Eisenach über Marburg nach Köln Posted on 20.06.2022 22:58

Quer durch Deutschland zu wandern, bei Wind und Wetter, über Berge und Täler, Stock und Stein u dann auch noch mit 9 bzw. 10 kg auf dem Rücken, ist das nicht verrückt???? Halten wir es doch mit Erasmus von Rotterdam:’Die höchste Form des Glücks ist ein Leben mit einem Grad an Verrücktheit‘

Nach einer denkwürdigen Bahnfahrt von Hamburg nach Eisenbach, einem beschwingten ‚Summer in the City‘ Abend mit Thüringer Spezialitäten, hieß es am Freitag bei sommerlichen Temperaturen Wanderschuhe schnüren. Am Anfang ging es zunächst darum, was gehört im Rucksack wohin, wie war das nochmal mit der Navigation, …? Die Freude über die geringen Steigungen wurde bald getrübt vom Asphalt als vorherrschendem Bodenbelag, überholenden E-Biker:innen, fehlendem Schatten und Temperaturen um und über 30 Grad. Und dann immer wieder A’s und O’s: Da die Rotmilane was haben die nur für eine imposante Flügelspannweite. Horch, die Lärche tiriliert im Rüttelflug. Was für eine schöne Bank unter der ausladenden Dorflinde. Und dann das Werratal, weit und idyllisch – wäre da nicht die gigantische, das Tal überspannende neue Autobahnbrücke. Oder sieh Mal da, der wechselnde Takt des Wasserkraftwerks. Schließlich Wilhelmsglücksbrunn, das erste Etappenziel; ein malerisch gelegenes Bio-Hotel mit selbstverständlich super leckeren Speisen, Genuß am Teich und Sage und Schreibe drei Storchennester!

Der nächste Tag dann noch heißer, die mitteralterische Creuzburg überraschte uns am Tagesbeginn und eine bizarre Privatpension am Ziel. Für den dritten Wandertag wählten wir eine kurze Strecke und erreichten bereits am frühen Nachmittag den Fasanenhof in Datterode.

Am Nachmittag kam Gatha, eine Freundin, zu Besuch und wir drei haben das Zusammensein sehr genossen, frisch und anregend, mit Kaffee und Kuchen, beim Spaziergang, ebenso heiteren wie ernsten Gesprächen und gutem Essen. Gatha und Pashya/Gerti wohnten Ende der 70er Jahre zusammen mit anderen lieben Menschen im ca. 30 km entfernten Dudenrode, Gatha lebt noch immer an diesem idyllischen Ort.

Am vierten Tag ist dann alles anders: 15 Grad weniger, viiiiiiiel Regen und 23 km bis zur nächsten Unterkunft. Aber auch das klappte und morgen geht`s weiter…

Zwischendurch gab’s eine wetere indirekte ‚Begegnung‘ mit der heiligen Elisabeth. Dazu muss man wissen, dass der Pfad in jedem Ort an der Dorfkirche vorbeiführt. Die hochmittelalterliche, evangelische St. Martinskirche in Wichmannshausen zeichnete sich nicht nur durch eine bewegte Baugeschichte aus, sondern auch durch ein Elisabeth Portal. Elisabeth wird dieses Portal auf ihrem Weg nach Marburg nie durchschritten haben, da die ältesten Teile der Kirche ins 12. Jahrhundert datiert werden, sie aber ca. 100 Jahre früher nach Marburg übersiedelte. Das ist ein weiteres Indiz für die Verehrung, die Elisabeth von Thüringen durch die Kirche entgegen gebracht wird, insbesondere durch die katholische, in der sie als Heilige verehrt wird