Von Irmgarteichen nach Krottorf

Die Temperaturen pendeln sich im niedrigen 20 Grad Bereich ein und zugleich schwinden die Blessuren an Knie und Füßen. Besser geht’s kaum. Der 5. Juli hat das Zeug zum Bilderbuch Wandertag: Wir laufen entlang von Waldrändern. Ganze Wälder sind auch hier dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen. Doch der Versuch in den vergangenen Jahrzehnten, die Monokultur der Fichtenforste durch Randbepflanzung mit Laubgehölzen zu kaschieren, vermittelt nun den Eindruck von Waldrand, der totes Gehölz umgrenzt.


Wegbegleitenden Schautafeln entnehmen wir, dass der Feldhase 2m weit springt. Der Weltrekord beim Menschen liegt derzeit bei 8,95m, wird aber noch deutlich vom Rothirsch überboten, der schafft 11m.

Bemerkenswert ist auch, dass das Rotwild die Farben Rot und Grün nicht unterscheiden kann (wie diese Rot-Grün-Blindheit wohl heraus gefunden wurde?).
Besonders ist die Begegnung mit einem Schäfer und seiner Merinoschafherde, incl. dreier Alpakas. Wir kommen ins Gespräch. Nein, sagt er, Wölfe gibt’s hier zum Glück nicht. Er könnte es auch nicht ertragen wenn er am Morgen zur Weide käme und ein oder mehrere Tiere verletzt oder gar gerissen und die übrige Herde verschreckt und für lange Zeit in Panik wäre. Dann würde er sofort aufhören.

In Siegen kreuzen wir unsere Wegstrecke von 2019. Damals pausierten wir, nahmen mit Andrea und Timo einen Imbiss ein und ließen die Wanderschuhe besohlen. Diesmal durchqueren wir die Stadt vom östlichen Rand des Talkessel bis zum westlichen per Bus und treffen am Stadtwald wieder auf den Elisabethpfad.
Wir drosseln unsere Tageskilometer auf ca. 15. Das ist nicht nur knie- und fußschonend, so erreichen wir unseren Zielort bereits nachmittags zur besten Kaffeezeit an und können gemütlich duschen, Wäsche waschen oder einfach relaxen, bevor das Abendessen ansteht.
Freudenberg bietet eine optische Überraschung. Der im 15. Jhd. gegründete historische Stadtkern wurde zweimal durch Brände zerstört und jedes Mal auf dem alten Grundriss als Fachwerk-Ensemble wieder aufgebaut. Noch heute trägt er den Namen „Alter Flecken“ und steht unter Denkmalschutz. Zu Recht.

Auf dem Bild links sieht man von oben auf den historischen Stadtkern. Wir hätten nach der Ankunft im Hotel nochmals auf einen Hügel steigen müssen, um diesen Blick zu haben. Das war nach einem anstrengenden Wandertag nicht mehr drin. Daher ausnahmsweise ein Foto aus dem Netz. Das Ensemble sieht zwar aus wie bei der Märklin Modell-Eisenbahn, ist aber echt.

Hier in Freudenberg lernen wir die Uerdinger Linie oder auch die ik-ich-Linie kennen. Sie stellt eine Übergangslinie zwischen den ik-Mundarten im niederdeutschen sowie niederfränkischen Sprachraum und den ich-Mundarten im hochdeutschen Sprachraum dar, wie sie heute noch in vielen Dialekten wiederzufinden ist.

Bei Nieselregen steigen wir, von Freudenberg kommend durch einen jungen Buchenwald auf und stoßen vor Hohenhain auf das Bodendenkmal ‚Alte Schanze‘ – eine mächtige Schanzanlage, die noch größtenteils gut erhalten ist. Sie kontrollierte die bedeutende mittelalterliche Landstraße Siegen – Köln (Brüderstraße), die hier die Nassau-Siegener Landhecke durchquerte, und so den Zugang zum Siegerland absicherte.
Die 105 km lange Landhecke war ein gewachsener Schutzwall. Sie bestand aus dicht nebeneinander gepflanzten Hainbuchen, deren Zweige zum Neuaustrieb in den Boden gesteckt und in den Zwischenräumen mit undurchdringlichen Gehölzen, wie etwa der Brombeere ergänzt wurden. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts umschloss die Landhecke für rund 200 Jahre das Siegerland zum Schutz gegen feindliche Überfälle vollständig. So verteidigten die Siegerländer immer wieder ihre Freiheit gegen den Erzbischof von Köln und sein böhmisches Söldnerheer.
Auf die große Weltbühne schaffte es die Landwehr nach 1568, dem Beginn des niederländischen Befreiungskrieges. Der Landesherr Johann der Ältere, Graf von Nassau-Dillenburg, unterstützte seinen Bruder Wilhelm von Oranien im Kampf gegen die Spanier entscheidend. Damit wurde das Siegerland zum Feind der Weltmacht Spanien.
Der weitere Weg nach Krottorf führt zweimal an Hinweistafeln zur Hexenverfolgung vorbei, die im 16. und 17. Jahrhundert in dieser Region weit verbreitet war.