Idstein ist super, die Innenstadt, wie aus dem Kleinstadt-Fachwerk-Bilderbuch. Mehrere der zahlreichen Linien der Nassauer haben in der Burg residiert. Im Wahrzeichen der Stadt, dem Hexenturm waren nie Hexen inhaftiert, gleichwohl wurden viele namentlich bekannte Männer und Frauen verfolgt und hingerichtet. Auf der Straße vor dem Bioladen liegen goldene Kartoffeln. Wir genießen die Dachwohnung und kochen mal wieder selbst (Nudeln). Idstein liegt in Hessen und es gibt Ebbelwoi.

Entlang des Limes folgen wir den Spuren der Römer. Von der Zeitenwende bis zur Mitte des dritten Jahrhunderts haben sie die nördliche Grenze des Römischen Reichs mit einem streng organisierten System von Wällen, Palisadenzäunen, Wachtürmen und Kastellen gegen die germanischen Barbaren abgesichert (für uns heißt das, Rom ist zwar noch weit, aber ab hier bewegen wir uns nur noch im ehemaligen Hoheitsgebiet der Römer).

Am Altkönig und bei Oberursel treffen wir (leider) nur noch auf fragmentarische Trockensteinwälle der hier ab dem 8. bzw. 3. Jahrhundert v. Chr. siedelnden keltischen Volksstämme. Dabei war das ‚Heidetränk-Oppidum‘ bei Oberursel eine der größten keltischen Siedlungen im deutschsprachigen Raum. Vermutlich in Folge germanischer Überfälle wanderten die Kelten ab, noch bevor die Römer auf den Plan traten. Diese heimatkundliche Blitz-Lektion haben wir Infotafeln entnommen, und im Archäologischen Museum in Frankfurt verifiziert. Doch vor Frankfurt lag noch der Hohe Feldberg, mit 880m unser bisher höchster Gipfel (daher das unvermeidliche Selfi).

Frankfurt ist einerseits ein ‚Kulturschock‘ andererseits ein willkommenes ‚Bad‘ in Kultur und Urbanität. Frankfurt hat wie viele andere Städte die Wasserfront entdeckt, der Main ist mittels einer gut angenommenen Promenade erlebbar, eine ganze Reihe von Museen befinden sich hier. Unsere Wahl fällt auf das Deutsche Architektur Museum (Neues Wohnen, neues Leben). Auf der anderen Mainseite erkunden wir das Archäologische Museum, die Paulskirche und das Areal um den Römer. Abends führt kein Weg an Sachsenhausen vorbei. Natürlich gibt’s Ebbelwoi, Handkäs mit Musig un Frankforder Grün Soß, aber irgendwie ist das Viertel auch enttäuschend. Einerseits touristisch, andererseits etwas heruntergekommen. Die unzähligen Elektroroller im Stadtbild vermittelten den Eindruck, als seien wir nach langer Zeit aus der Wildnis in die Stadt gekommen und stünden vor einer Revolution der Mobilität.

Überraschung. Südlich von Frankfurt weist der E1 einen ganzen Tag keinerlei Steigung auf. Wir fahren zunächst mit dem Bus bis an den südlichen Stadtrand und starten im Frankfurter Grüngürtel, dem Pendant zum Hamburgischen Grünen Ring! Nach kurzer Zeit führt der Weg an das Autobahn Südkreuz und die Einflugschneise des Flughafens. Hier ist es irre, fast menschenverachtend laut. Wie können die Menschen die hier wohnen gesund bleiben? Wir wandern (zum Glück) weiter.

In Dreieichenhain kreuzt der E 1 den 50. Breitengrad. In diesem gut situiert anmutenden, von einer Golfanlage und diversen Reiterhöfen umgeben mittelalterlichen Städtchen genehmigen wir uns ein Eis. Der Tischnachbar erklärt ungefragt, dass hier viele Millionäre wohnen, die sich was einbilden. Und tatsächlich wir sind umgeben von lauter schönen Menschen.

Nachtrag.

Haben wir im letzten Beitrag unser Wanderleben zu knapp bzw. zu positiv skizziert? Spontan fällt noch eine Sache ein, die nur beim Ausnahmezustand Wanderung geht: Socken in Sandalen. Im richtigen Leben ein Tabu! Zum Glück stellt sich die Sockenfrage in Frankfurt nicht, es ist warm.

Und ja, Annette Badezeug ist dabei genauso wie Portmonee und Telefon. Wir wurden noch gefragt ob wir uns wirklich nicht streiten. Aber mal ehrlich, über was könnte man sich denn streiten, nachdem die Grundidee des Wanderns Konsens ist: Frühstücken um halb acht oder um acht? Wer bekommt das rechte und wer das linke Bett??? Ein weiteres Diskussionsthema, ob das da oben ein Habicht oder ein Bussard ist, entscheidet jetzt die von Georg entdeckte App ‚Nabu Vogelwelt‘. Und, dass Pashya/Gerti bei steilen Bergen kleine Schritte macht, einatmen – ausatmen – einatmen – … um asthmatische Schnappatmung zu vermeiden, ist nicht verhandelbar. Falls Georg ungeduldig wird, lässt er es sich nicht anmerken.

Nach rund acht Wochen und ca. 900 km halten wir es alles in allem mit dem Buchtitel, den Kaethe (Pashya/Gerti’s Kunstlehrerin) für uns entdeckt hat: ‚Vom Glück des Wanderns‘.