Beginnen wir heute mal wieder mit Heimatkunde. Gemeinhin wird davon ausgegangen, daß der Kahle Asten mit seinen 840,8 m nicht nur der höchste Berg des Sauerlandes sondern auch von NRW ist. Der Wirt des Gasthofs Hochheide in Niedersfeld hat uns eines besseren belehrt. Zwei Erhebungen mit 843 bzw. 842,9 m sind höher! Weil aber der Kahle Asten durch die Wetterstation und insbesondere den Wintersport so populär ist, wird er als das ‚Dach von Westfalen‘ vermarktet.

In den beiden letzten Wanderwochen sind wir immer wieder auf den seit vielen Jahrhunderten betriebenen Abbau von Rohstoffen, insbesondere Eisenerz, Kupfer und an einer Stelle auch Blei sowie Schiefer gestoßen. Gefördert wurde oft seit ca. 2.000 Jahren im Tagebau, später teilweise auch unter Tage in Stollen. Die Gewinnung und insbesondere die Verarbeitung der Metalle erforderte große Hitze, die durch Holzkohle erzeugt wurde. Das heißt bis zur schrittweisen Einstellung der Rohstoffgewinnung, etwa Anfang des 19. Jahrhunderts haben Köhler weite Teile des Sauerlandes und des Eggegebirges völlig entwaldet. Auf den ehemals von Laubmischwäldern bestandenen Kuppen bildeten sich Hochheiden. An den Hängen kam es zu weitreichenden Erosionen. Daraufhin wurde erstmals systematische Waldwirtschaft betrieben. Und weil die heimischen Eichen 200 Jahre und die Buchen 140 Jahre benötigen bis sie ausgewachsen sind, setzte der Siegeszug der Fichten ein, ihr Holz ist bereits nach 80 Jahren nutzbar. Obwohl sie in dieser Region nicht heimisch sind (eingeführt wurden sie aus dem

Harz und dem Thüringer Wald) wurden sie wegen des vergleichsweise schnellen Ertrags als Monokultur aufgeforstet. Etwa 1880 betrug der Anteil der Fichtenbestände rund 30% Mitte der 1970er Jahre lag er bei 75% und entsprechend rückläufig war der Anteil der Buchen und Eichen. Die Folgen dieser ganz und gar nicht standortgerechten Strategie zeigt sich jetzt. Borkenkäfer, Trockenheit und Windbruch haben den Fichten zugesetzt (und zwar deutlich mehr als den Buchen und dem Ahorn). Ganze Wälder sind abgestorben und müssen gerodet werden. Die Nachfahren derjenigen, die sich reiche Holzernten versprochen hatten sind mit rapide fallenden Holzpreisen konfrontiert. Unglaubliche Mengen von Holzstapeln lagern auf den abgeholzten Flächen, während ihre Besitzer auf steigende Preise hoffen. Um so unverständlicher erscheint es uns, dass Nadelbäume, vermutlich die aus Nordamerika stammenden Douglasien, als Ersatz für die Fichten in großem Stil aufgeforstet werden (mal angenommen wir wären Borkenkäfer, würden wir dann nicht mutieren, um uns nach dem Tod der Fichten auf die Douglasien stürzen?). Wie verträgt sich das Setzen auf die nicht heimischen Nadelgehölze mit dem Begriff der Nachhaltigkeit, dessen Erfindung die Forstwirtschaft für sich reklamiert? Die winzigen Naturwaldzellen, die sich urwald-ähnlich, ganz ohne menschlichen Eingriff entwickeln dürfen, sind da nicht mehr als ein Feigenblatt.
Zeichnet sich neuerdings Aussicht auf ein Umdenken an? Heute lasen wir beim Frühstück in der ‚Westfalen Post‘, dass der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet Finanzhilfen für den Wald zugesagt hat, eine Waldkonferenz mit Wissenschaftlern einberufen will und ein ‚Bündnis für den Wald‘ angeregt hat. Gleichzeitig gab Umweltministerin Ursula Geringen-Esser ein Bekenntnis für den Mischwald mit mindestens 6 Baumarten ab.

Der 25. Juli ist gemäß Wetter App, einer der heißesten Tage seit der Wetteraufzeichnung. Mit Ach und Krach haben wir es bei 34 Grad von Oberkirchen nach Bad Berleburg geschafft. Einen Motivationsschub brachte der, weitgehend mit dem E 1 identische Wald-Skulpturen-Weg, und so können wir uns sechs der 11 in den Wald integrierten Landmarken (international bekannter Künstlerinnen und Künstler) erfreuen.

Die Initiative für den Skulpturenweg entstand aus dem Bestreben, die kulturell, sprachlich und konfessionell wechselvolle Geschichte zwischen den territorial getrennten Regionen Wittgenstein (Bad Berleburg) und dem Sauerland zu überwinden. Das Sauerland war traditionell konservativ und katholisch während die Wittgensteiner sich durch Toleranz bis hin zum Radikalpietismus auszeichneten.

Das verkehrte sich in der Nazi Zeit völlig. Berleburg verzeichnete bei allen Wahlen einen deutlich höheren Anteil an NSDAP-Wählern als der Rest des Landes. War man 100 Jahre zuvor noch aufgeschlossen gegenüber ‚Zigeunern‘ so wurden sie, ebenso wie die jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner gnadenlos verfolgt und dem Tod preisgegeben.

Berleburg scheint das Radikale hervorzubringen. Als auf Initiative von Richard zu Sayn Wittgenstein († 2017) im Jahr 2013 die ersten Wisente aus der ‚Wisent Wildnis am Rothaarsteig‘ gegen den Willen der Landesforstverwaltung und der Waldbauern freigelassen wurden erklärte der Adlige: „Wenn die es schaffen, die Wisente, die jetzt draußen rumlaufen, abzuschaffen, dann kann es gut sein, dass ihre Höfe brennen. Das wissen die auch ganz genau. Ich zünde sie nicht an, aber ich weiß, wie es geht.“ Dafür entschuldigte er sich später und das Verfahren gegen ihn wurde unter Zahlung von 5.000 € eingestellt. Wir haben von den Wisenten nur ein Denkmal in der Stadt und eine Hinweistafel gesehen. Die Tiere im Schnee bauten uns in Anbetracht der Hitze ungemein auf.